
Tumorbekämpfung mit Viren
VON MARTIN SCHREIER
Wie ist das Vorgehen bei einer Virotherapie? „Eigentlich ganz einfach“, meint der Tübinger Gastroenterologe. Der Patient bekommt präparierte Viren verabreicht. Oft sind es Impfviren. Von ihnen weiß man durch millionenfache Impferfahrung, dass sie sicher sind und für gesunde Körperzellen ungefährlich. Zudem wurde in Versuchen mit Zellkulturen und Tieren nachgewiesen, dass Impfviren sehr effizient Tumorzellen infizieren und zerstören. Für die Verabreichung der Viren kommen unterschiedlichste Wege infrage. Eine Möglichkeit ist, dass die Viren gezielt ins Tumorgewebe eingespritzt werden. Nur schlucken darf der Patient das Arzneimittel nicht. Sonst würden die Viren, noch bevor sie die Tumorzellen erreichen, im Verdauungstrakt abgetötet.
Die Virotherapie wirkt zweigleisig. „Sobald ein Virus in eine Krebszelle kommt, fängt es an tausende Nachkommenviren zu produzieren. Die Krebszelle ist dann nur noch mit der Virusproduktion beschäftigt“, erklärt Lauer.
Therapie noch nicht ausgereift
Doch noch ist das Therapieverfahren nicht so effektiv, dass ein sogenanntes Virotherapeutikum zugelassen werden konnte. „Das hängt damit zusammen, dass man noch nicht genau weiß, was für welche Tumorerkrankung das optimale Virotherapeutikum ist, wie man es optimal appliziert, was die optimale Dosis ist und wie man es mit den anderen Krebsmitteln kombiniert“, sagt der Tübinger Forscher. Er ist aber zuversichtlich, dass es im kommenden Jahr eine Zulassung für eine Virotherapie gegen Hautkrebs geben wird. „Ich rechne damit, dass in den Folgejahren viele weitere dazukommen werden.“
An der Virotherapie wird weltweit geforscht. Mit führend sind nach Aussage von Lauer die USA und Großbritannien. Deutschland sei zwar von der Ausstattung, Infrastruktur und Ausbildung gut aufgestellt. Aber wenn Firmen hierzulande Arzneimittelstudien machen wollen, sprächen höhere Kosten, strengere Auflagen und längere Genehmigungsverfahren dagegen.
Zu den Forschungsleistungen der Tübinger zählen die Durchführung präklinischer Untersuchungen und die Entwicklung optimierter Impfviren. So konnten etwa Masernimpfviren mit einem sogenannten Suizid-Gen ausgestattet werden. Dieses Gen zwingt die infizierten Krebszellen zum “biochemischen” Selbstmord und verstärkt somit zusätzlich den virusvermittelten Zelltod von Krebszellen, die sogenannte Onkolyse. Bei ihren experimentellen Virotherapien beschränken sich die Tübinger derzeit noch auf Bauchfellkrebs. In Heidelberg stehen Hirntumoren und an anderen deutschen Standorten der Leberkrebs im Fokus der Virotherapieforschung. Doch nach Lauer kommt Virotherapie für alle Krebsarten infrage. Das in Deutschland zunächst an diesen drei Krebsarten geforscht wird, liegt daran, dass bei ihnen ein besonderer medizinischer Bedarf besteht. (sc)